Ein Mann liegt im Bett und eine Caritas-Mitarbeiterin hilft ihm die Arme zu stecken.

Seit 20 Jahren ist der Pflegeberuf ihre Berufung

Foto: Otto hat eine enorme Körperspannung. Mit beiden Händen streicht Doris Strassl seine Arme aus, bis sich die Verkrampfungen lösen.

Doris Strassl (43) aus Kopfing betreut und pflegt seit mehr als 20 Jahren Menschen. Nach wie vor macht sie die Arbeit mit Begeisterung und ist seit einem Jahr im Caritas-Seniorenwohnhaus St. Bernhard in Engelhartszell. „Wenn man spürt, dass man zum richtigen Zeitpunkt da ist, wenn die älteren Menschen jemanden brauchen – das ist schön“, sagt Doris Strassl.

„Schon in der Hauptschule wusste ich, dass ich einen Sozialbetreuungsberuf ergreifen will“, erinnert sich die Mutter eines 7-jährigen Sohnes. „Meine Oma war pflegebedürftig – und ich habe als Kind schon immer ganz selbstverständlich mitgeholfen. Deshalb habe ich gleich nach meiner Friseurlehre an der Caritas-Schule die Familienhilfe-Ausbildung gemacht, weil es damals zum ersten Mal möglich war, diese Ausbildung in Kombination mit der Altenarbeit zu machen.“ Und dieser Berufsweg ist zu ihrer Berufung geworden. In St. Bernhard ist sie gemeinsam mit ihren KollegInnen im Wohnbereich für 15 Menschen da. „Meine Teilzeittätigkeit im Ausmaß von 20 Stunden lässt sich ganz toll mit dem Familienleben verbinden“, erzählt die Kopfingerin.

Morgens helfen die Caritas-MitarbeiterInnen den BewohnerInnen bei der Körperpflege, verabreichen Tabletten und versorgen jene, die mit Magensonden ernährt werden. Sie bereiten das Frühstück vor und helfen beim Essen. Otto wartet schon auf Doris Strassl. Der 88-Jährige gehört zu den Bewohnern, die besonders auf die Unterstützung angewiesen sind. „Die anderen sagen, was sie möchten. Aber jene, die sich nicht mehr ausdrücken können, bedürfen unserer besonderen Aufmerksamkeit“, sagt Strassl. So ist es für sie selbstverständlich, dass sie sich besonders viel Zeit nimmt für die Morgenpflege von Otto. Otto hat eine enorme Körperspannung. Mit beiden Händen streicht sie von der linken Schulter Ottos Arm entlang bis zu den Fingern. Diese Bewegung wiederholt sie – und mit jeder Wiederholung wird Ottos Arm weicher, die Finger lösen sich. Gleichzeitig vermittelt sie Otto damit Sicherheit. „Das dauert zwar länger – aber ich sehe, dass es Otto gut tut.“ Sein Blick sucht Doris‘ Blick. „Das ist für mich das Schöne an meiner Arbeit - diese kleinen Erfolgserlebnisse: wenn sich die verkrampften Arme oder Füße nach dem basalen Ausstreifen entspannen oder wenn ein Lächeln über Ottos Gesicht huscht“, meint Doris Strassl. Ihr sieht man an, dass sie ihren Beruf liebt: „Dieser Beruf entspricht meinen Vorstellungen ganz und gar. Deshalb bin auch schon so lange in der Pflege. Das Wichtigste in diesem Beruf ist das Einfühlungsvermögen. Das darf nie verloren gehen. Egal ob mit den BewohnerInnen oder mit Angehörigen: wenn man sich einfühlen kann, dann passt es. Denn das Miteinander ist wichtig. Dass ich mir Zeit nehme und mit Humor arbeite, ich glaube, das ist die wichtigste Unterstützung für unsere BewohnerInnen.“

Natürlich gibt es auch herausfordernde Situationen: „Wenn ein Bewohner in seiner Welt lebt und ich alles versucht habe, ihn aber nicht erreichen kann, dann fühlt man sich hilflos. Ich probiere und probiere in der Hoffnung, doch noch was zu finden. Ich tausche mich mit den anderen aus – vielleicht findet man doch einen Zugang. Wenn nicht, dann müssen Selbstzweifel hintangehalten werden. Und man muss es auch mal einfach akzeptieren.“ Für das eigene Leben hat sich Doris auch viel mitgenommen von ihrer Arbeit: „Es sind Lebenserfahrungen, die dir keiner nehmen kann. Zum Beispiel habe ich gelernt, dass der Moment zählt – und man aus dem Moment das Beste machen soll.“