Deniz Demir

Deniz Demir ist freiwillige Mitarbeiterin in der Caritas WEGE in Wels für Haftentlassene.

Deniz wird nach zweieinhalbjähriger Mitarbeit ihren Freiwilligendienst vorerst beenden, da sie wegen eines beginnenden Praktikums und der Masterarbeit weniger freie Zeit zur Verfügung hat. Sie studiert Psychologie an der Sigmund-Freud Universität in Linz und hat die Absicht später wieder in der Wohngemeinschaft für Haftentlassene mitzuarbeiten.


Wo und wie engagieren Sie sich derzeit freiwillig?

Ich bin seit September 2017 in der Wohnbetreuung für Haftentlassene in der WEGE in Wels tätig und übernehme meistens drei Mal monatlich einen Samstags- oder Sonntagsdienst.

Was motiviert Sie, sich freiwillig zu engagieren?

Für die Bewohner ist die WEGE ein Ort, an dem sie sich zugehörig und integriert fühlen können.

Ich denke, dass ich durch meine freiwillige Mitarbeit sehr vielen Menschen die Hilfe geben kann, die sie brauchen. Sie können viel von mir lernen, aber auch ich habe in dieser Zeit  unglaublich viel von unseren Bewohnern lernen und verschiedenste Erfahrungen sammeln dürfen. Deshalb ist es für mich eine sehr große Bereicherung, da man durch die Erfahrungen persönlich wachsen kann. Für jemanden da zu sein, sich für jemanden zu interessieren und jemandem zuzuhören ist etwas so wertvolles, das niemals durch materielle Dinge ersetzt werden kann. Die Dankbarkeit, die einem die Bewohner entgegenbringen ist etwas ganz Besonderes. Zudem macht es mir eine große Freude, anderen Menschen zu begegnen und mit ihnen in Kontakt zu treten, da ich ein sehr offener Mensch bin.

Welche Geschichte(n) möchten Sie gerne mit anderen teilen?

Ich habe letztes Jahr mit einem Bewohner für seine Englisch Matura gelernt und es war jedes Mal wieder etwas Besonderes, wenn wir uns zum Lernen getroffen haben, weil er sich sehr bemüht und mir aus Dankbarkeit immer eine Kleinigkeit mitgebracht hat. Einmal haben wir uns beispielsweise schon sehr bald in der Früh getroffen und er hat mich mit einem Croissant überrascht. Ich habe ihm zwar immer wieder gesagt, dass es nicht notwendig ist, mir etwas mitzubringen, aber darauf hat er nie gehört. Es war ihm einfach wichtig, mir etwas für meine Unterstützung zurückzugeben.

Ein anderer Bewohner ist einmal zu mir in die Dienstküche auf einen Kaffee gekommen und hat sich dafür bedankt, dass ich immer für ihn da bin und ihm zuhöre. Das war schon etwas ganz Besonderes für mich, weil es für die Bewohner manchmal schwierig ist, einen Dank direkt auszusprechen. Sie zeigen ihre Dankbarkeit meist eher durch indirekte Handlungen – zum Beispiel, wenn sie für sich selbst Pudding kochen und mich dann fragen, ob ich auch etwas haben möchte.

Etwas, das mir auch immer in Erinnerung bleiben wird, war die Reaktion eines Bewohners, als ich ihm gesagt habe, dass ich bald nicht mehr in der WEGE arbeiten werde. Am Anfang hat er gar nichts dazu gesagt und nach einigen Minuten hat er gemeint „Du hast uns aber nicht gefragt, ob du aufhören darfst.“ Das hat mich wirklich sehr berührt.

Was haben Sie als besondere Herausforderung erlebt?

Zu Beginn habe ich mir etwas Sorgen gemacht, wie das alles sein wird, da ja fast nur Männer hier begleitet werden. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, ob ich als junge Frau überhaupt ernst genommen werde, aber diese Bedenken haben sich dann rasch gelegt. Ich denke, dass ich mittlerweile meinen sicheren Platz gefunden habe und von den Bewohnern auch sehr gut aufgenommen worden bin.

Was ist das Schöne an Ihrem Engagement?

Wir genießen den gegenseitigen Austausch bei einem gemütlichen Kaffee oder das Filmeschauen im Gemeinschaftsraum. Im Sommer steht uns der Garten zur Verfügung, wo wir das Wetter genießen können. Es ist schön, Verantwortung für meine Mitmenschen übernehmen zu dürfen und ihnen dabei zu helfen, ihren Tag sinnvoll zu gestalten. Ich finde es sehr wertvoll, wenn sie ihre Gedanken und Gefühle mit mir teilen oder mitanzusehen wie sie sich freuen, wenn sie für eine Tätigkeit gelobt werden. Außerdem ist es einfach ein gutes Gefühl, gemeinsam herumzualbern und Lachen zu können.

Was raten Sie anderen Menschen, die sich gerne freiwillig engagieren möchten?

Ich denke, dass es für viele junge Menschen hilfreich sein kann, sich durch eine freiwillige Mitarbeit beruflich zu orientieren. Viele wissen nach der Matura nicht, was sie studieren wollen. Ich denke, dass man durch das Engagement praktische Erfahrungen sammeln und die eigenen Kompetenzen entdecken und entwickeln kann. Durch eine freiwillige Mitarbeit kann man einfach viel über die eigenen Stärken und Schwächen herausfinden.

Außerdem bin ich der Meinung, dass man durch eine ehrenamtliche Tätigkeit etwas tun kann, das einem persönlich sehr wichtig ist. Diese kann auch ein Ausgleich zum Job sein. Menschen, die sich bei uns freiwillig engagieren möchten, sollten empathisch, offen für Diversitäten sein und geduldig, zuverlässig, hilfsbereit und verständnisvoll. Der Humor darf auf gar keinen Fall fehlen.